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Mobbing – jeder kann ein Opfer werden

Auf Schulhöfen und am Arbeitsplatz geht es zunehmend rauer zu. Im 20. Jahrhundert verbreitet sich das Wort „mobben“ im deutschsprachigen Raum. Abgeleitet vom englischen Verb „to mob“ für „belästigen“ oder „anpöbeln“, bezeichnet der Begriff eine spezielle Form des Psychoterrors. Jeder kann Mobbingtätern zum Opfer fallen. Ob in der Schule, am Arbeitsplatz, im Internet oder in Heimen: Mobbingverhalten ist nicht auf einen bestimmten Ort begrenzt. Wie eine Mobbingsituation entsteht und wie sich Opfer am besten verhalten sollten – wir klären auf.

Was ist Mobbing?

Kleine Konflikte, Streitigkeiten und Missverständnisse sind noch keine Mobbingaktionen. Diese Situationen sind ein natürlicher Bestandteil des Alltags und dürfen Gemäß der Definition ist Mobbing der gezielte und dauerhafte Angriff, die anhaltende Schikane oder systematische Demütigung von einzelnen Personen. Das Ziel von Mobbingtätern ist die Ausgrenzung des Mobbingopfers. Bei den Mobbingtätern handelt es sich meist um eine Gruppe aus mehreren Personen. Seltener werden Einzelpersonen zu gezielten Mobbern. Auch innerhalb von Tätergruppen gibt es meist aber einen Anführer, der den Ton und die Aktionen vorgibt. Bei den restlichen Gruppenmitgliedern handelt es sich häufig um reine Mitläufer, die sich dem Mobber aus Angst um die eigene Position angeschlossen haben. Mobbingverhalten kann unterschiedliches Ausmaß annehmen. In der Regel beeinträchtigen anhaltende Mobbingerfahrungen vor allem das soziale Ansehen der Opfer. In einer Konsequenz finden sich Mobbingopfer in Isolation wieder, fühlen sich alleine gelassen, entmachtet und teilweise gedemütigt. Wer gemobbt wird, sieht kaum eine Möglichkeit mehr, sich gegen die Diskriminierung und den Ausschluss aus der Gemeinschaft zu wehren. In vielen Fällen ziehen sich Mobbingopfer im Verlauf der Schikane selbst von ihren Mitmenschen zurück und spielen den Tätern damit praktisch in die Hände. Cybermobbing ist eine neuere Mobbingform, die sich auf das Medium Internet konzentriert. In sozialen Netzwerken schikanieren die Täter ihre Opfer anonym und ungehindert. Durch die körperliche Distanz zu ihren Opfern legen Cyper-Mobber verbal extreme Aggressivität an den Tag, die im Netz jederzeit abrufbar ist.

Wodurch entstehen Mobbinghandlungen?

Der Mobbingprozess stellt sich typischerweise schleichend ein. Belanglose Konflikte unter der Oberfläche können den Anfang bilden. Der ursprüngliche Auslöser rückt im Verlauf zunehmend in den Hintergrund und die Angriffe werden immer persönlicher. Die primären Ursachen für Mobbingverhalten sind vielgestaltig. Bei den einfachsten Zusammenhängen fängt der Motivkatalog an. Viele Mobber begründen ihr Verhalten mit einer Abneigung gegen das Opfer. Wer näher hinsieht, erkennt als Ursache der Abneigung allerdings oft Neid oder persönlichen Frust auf Seiten der Mobber. Mit dem offensiven Verhalten werten die Mobbingtäter ihr Opfer ab und fühlen sich zumindest momentan überlegen. Speziell am Arbeitsplatz fühlen sich Mobbingtäter oft durch das Mobbingopfer bedroht. Diese Bedrohung bezieht sich in der Arbeit vor allem auf die Arbeitsleistung. Zum Teil steckt hinter Mobbingsituationen am Arbeitsplatz sogar Existenzangst, so zum Beispiel wenn das Opfer wesentlich bessere Arbeitsleistungen erzielt, wesentlich effektivere Fertigkeiten besitzt oder vom Chef bevorzugt wird. Ob am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Heim: Der Neid der Mobbingtäter kann auch persönlicheren Bezugsrahmen haben. Neid auf das physische Erscheinungsbild zählt hierzu genauso wie solcher auf bestimmte Charakterzüge, Fähigkeiten oder Erlebnisse. Speziell in der Schule dienen Mobbinghandlungen den Tätern oftmals auch als reine Machtdemonstration. Mobber wollen sich in diesem Fall den Respekt der Gruppe sichern.

Warum wird gemobbt?

Gerade im 21. Jahrhundert nehmen Leistungsdruck und der Wunsch nach Anerkennung stetig zu. Beruflicher Erfolg erfordert mittlerweile ein hohes Maß an Ehrgeiz und Durchsetzungsvermögen. Durch das Sharing-Verhalten des Technologiezeitalters fühlen sich viele Menschen außerdem dem ständigen Vergleich mit anderen Menschen ausgesetzt. Ein noch höherer Druck für persönliche Erfolge und das eigene Leben entsteht. Diese Zusammenhänge sind ein idealer Nährboden für Frustration, geringes Selbstwertgefühl und Kompensierungsversuche. Zu diesen Kompensierungsversuchen kann Mobbingverhalten gehören. Dass sich Mobbingfälle im 21. Jahrhundert plötzlich zusehends aneinanderreihen, hängt mit diesen Fakten zusammen. Auch Neid entsteht in einer erfolgs-, vergleichs- und leistungsorientierten Gesellschaft zunehmend leichter. Dass das 21. Jahrhundert etliche Mobbingtäter hervorbringt, ist damit fast schon vorprogrammiert. Grundsätzlich kann jeder zum Mobbingopfer werden. Allerdings sprechen Experten in diesem Zusammenhang von unterschiedlichen Risikofaktoren. Fast allen Mobbingopfern gemein ist die Andersartigkeit. Mobbingrisiko besteht also vor allem für Personen, die sich in einem oder mehreren Gesichtspunkten von der Masse abheben. Diese Andersartigkeit wird von Mobbern als Gefahr empfunden. Anders zu sein, bedeutet, besonders zu sein. Diese Besonderheit kann Neid erwecken, allerdings auch mit der prinzipiellen Angst zusammenhängen, die Menschen vor dem Unbekannten entwickeln. Wichtig ist für Mobbingopfer die Erkenntnis, dass sie an ihrer Situation nicht die Schuld tragen, sondern die Psyche der Täter. Besonders oder anders zu sein ist kein Fehler, sondern eine Stärke. Dieser Stärke begegnen Mobbingtäter mit Unterdrückung, um das Machtverhältnis zu demonstrieren. In vielen Fällen entwickeln Mobber außerdem ein Opferradar für Menschen, die das geplante Verhalten tatenlos entgegennehmen. Je passiver ein Opfer sich ihnen gegenüber verhält und je mehr Angst der Betroffene entwickelt, desto mehr fühlen sich die Täter bestätigt.

Was haben Mobbingtäter von ihrem Verhalten?

Einen ‚typischen Mobbingtäter‘ gibt es nicht. Wissenschaftlern zufolge treffen bestimmte Merkmale allerdings auf die Mehrzahl aller Mobber zu. Die meisten Täter wollen durch die Mobbinghandlungen Macht ausüben. Sie genießen die Kontrolle über ihre Opfer und fühlen sich stärker, sobald sich andere gegenüber ihrer Person unterwürfig verhalten. Ein eigenes Selbstwertdefizit kann sie zur Unterwerfung motivieren. Sobald jemand Angst vor ihnen zeigt, fühlen sie sich bestätigt und mächtig. Vielen Mobbern geht es beim Mobbingprozess vor allem um die Anerkennung ihrer Mitmenschen oder die Ablenkung von eigenen Schwächen und Misserfolgen. Mobbern ist damit in der Regel persönliche Schwäche gemein. Oft hängen die Bedingungen in der Familie der Täter mit dem Mobbingverhalten zusammen. Wem es von Seiten der Eltern zum Beispiel an der Anteilnahme am eigenen Leben fehlt, der entwickelt häufig ein Gefühl der Unzulänglichkeit, das durch Mobbinghandlungen kompensiert werden kann. Wissenschaftlichen Beobachtungen zufolge können auch „machtbetonte“ Erziehungsstile Mobbingtäter hervorbringen. Teilweise werden die zukünftigen Täter Zeuge von Gewalt zwischen den Eltern und erlernen so erbarmungsloses und mitleidloses Verhalten. Wer außerdem keine Strategien zum Umgang mit Konflikten vermittelt bekommt, kann spätere Konflikte nicht vernünftig lösen und besitzt höhere Anfälligkeit, sich zum Mobber zu entwickeln. Auch wenn Eltern ihren Kindern kaum Grenzen setzen, wird Mobbingverhalten zunehmend wahrscheinlicher. Besonders problematisch wird die Situation, sobald die Eltern unsoziales Verhalten nicht ahnden, sondern verharmlosen. Die meisten Mobber können Menschen relativ gut einschätzen und suchen sich speziell solche Mobbingopfer aus, die sich dem ersten Anschein nach nicht gegen die Diskriminierung zur Wehr setzen werden.

Welche Folgen haben Mobbingerfahrungen?

Mobbingopfer leiden oft ein ganzes Leben lang unter den Folgen. Die meisten Opfer verschließen sich gegenüber ihren Mitmenschen und glauben zunächst nicht daran, dass ihnen jemand aus ihrer Lage heraushelfen kann. Viele Betroffene denken nur noch an die widerfahrene Schikane und verstärken den eigenen Leidensdruck damit noch mehr. Neben Ausgrenzung fühlen die Opfer oft Ohnmacht. Zu den wesentlichsten Mobbingfolgen auf psychischer Ebene zählen:

  • geringer Selbstwert
  • Selbstbeschuldigung
  • Isolation
  • Einsamkeitsgefühle
  • Angstzustände
  • Traurigkeit bis hin zur Depression
  • Schlafstörungen und Albträume
  • Leistungsabfall, der das Selbstwertgefühl weiter einschränkt.
  • sozialer Rückzug, der die Isolation verstärkt.
  • Bindungsängste und allgemeines Misstrauen gegenüber anderen Menschen.
  • soziale Phobien
  • Selbstmordgedanken bis hin zu selbstzerstörerischem Verhalten oder Selbstmordversuch

Die psychischen Folgen haben oft psychosomatische Qualität und münden so teilweise in Appetitlosigkeit, Essstörungen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Herzrasen, Hitzewallungen oder anhaltende Kopfschmerzen. Der schwedische Psychologe Dan Olweus untersuchte in der Studie Kinder und Jugendliche, die zwischen 13 und 16 Jahren Mobbingverhalten ausgesetzt waren. Im Alter von 23 Jahren litt die Mehrzahl der Personen noch immer an Depressionen, mangelndem Selbstwertgefühl und Einsamkeitsgefühlen. Im Privat- und Berufsleben bauen Mobbingopfer nur schwer Beziehungen zu ihren Mitmenschen auf.

Was Mobbingopfer tun sollten

Um sich aus ihrer Situation zu befreien, können Mobbingopfer im Frühstadium von Mobbingsituationen das direkte Gespräch mit dem Täter suchen. Dieser Schritt kann dem Täter die Stärke des Opfers signalisieren und ihn frühzeitig das Interesse verlieren lassen. In späteren Stadien ist das offene Gespräch meist keine erfolgsversprechende Option. Selbstbewusstsein zu zeigen, ist allerdings immer wirkungsvoll. Mobbingtäter wollen ihre Opfer gezielt ausgrenzen und zum sozialen Rückzug zwingen. Indem sich Mobbingopfer gegen den sozialen Rückzug wehren und eine Öffentlichkeit für sich herstellen, durchkreuzen sie so den Plan der Täter. Die Mobbingaktivitäten sollten in der Arbeit gegenüber Vorgesetzten, in einem Betriebsrat oder vor Kollegen thematisiert werden. In Schulmobbing oder Cybermobbing ist das soziale Umfeld im Privatbereich einzuweihen. Außerdem stehen Vertrauenslehrer, die Schulleitung und Schulpsychologen bei Mobbingfällen zur Verfügung. Das Mobbing-Geschehen wird idealerweise so transparent und öffentlich wie möglich gemacht, damit sich der Mobber nicht mehr verstecken kann. Der Austausch mit anderen Betroffenen in einem eigenen Netzwerk kann ein wichtiger Schritt sein, um Stärke zu entwickeln und sich sozial nicht ausgeschlossen zu fühlen.

Wie sollte ich mich in Mobbingsituationen verhalten?

Wichtig ist in Mobbingsituationen die Entwicklung von Selbstbewusstsein. Dieses Selbstbewusstsein kann zum Beispiel aus Aktivitäten gewonnen werden, in denen das Mobbingopfer besonders gut ist. Außerdem sollten die Opfer positives Feedback zu ihrer eigenen Person dokumentieren, um ihren Selbstwert zu stärken. Auch die Verarbeitung der Erlebnisse in einem Mobbingtagebuch kann ein sinnvoller Schritt sein. Neben der Verarbeitung dient das Tagesbuch der Dokumentation von Mobbingereignissen. Falls der Mobbingfall vor Gericht gebracht werden soll, ist eine derartige Dokumentation ein hilfreiches Vorgehen. Ein ebenso wichtiger Schritt ist für Mobbingbetroffene die Suche nach Verbündeten. Der Zusammenschluss mit anderen Menschen holt das Mobbingopfer aus seiner Isolation und kann eine Quelle für Stärke darstellen. Auch ein körperlicher Ausgleich kann in Mobbingsituationen gut tun. Bei sportlichen Aktivitäten an der frischen Luft werden Endorphine freigesetzt, die das Wohlbefinden steigern. Die allgemeine Devise in Mobbingsituationen lautet: Rechtzeitig aktiv werden. Abhängig von der Art der Mobbingsituation ist Gegenwehr in der tatsächlichen Situation oft keine Option. Von Mobbingtätern werden Rechtfertigungen und Gegenschläge oft als Schwäche ausgelegt. Die Gegenwehr kann in diesem Fall ein noch aggressiveres Verhalten zu Tage befördern. Statt sich direkt in der Situation zu verteidigen und gegenüber den Tätern zu rechtfertigen, besteht die wichtigste Aktion für Mobbingopfer in der Bekanntmachung der Situation und der Hinwendung zu Vertrauenspersonen oder die Öffentlichkeit. Wer sich selbst zum Opfer macht, wird in der Mobbingsituation gefangen bleiben. Die Opferrolle gilt es daher zu verlassen. Hilfsstellen können Mobbingopfer dabei unterstützen.

Wo bekomme ich als Mobbingopfer Hilfe?

Arbeitnehmer in Mobbingsituationen können auf dem Rechtsweg Hilfe erwarten. Sie können zum Beispiel von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen und sich gemäß des Betriebsverfassungsgesetzes über ungerechte Behandlung am Arbeitsplatz beschweren. Mit dieser Maßnahme verlassen sie die Isolation und nehmen den Mobbern die Möglichkeit, sich zu verstecken. Der Arbeitgeber muss die Situation daraufhin beurteilen und Maßnahmen zur Verbesserung in die Wege leiten. Ist der Arbeitgeber selbst Täter oder Mittäter, so ist das Beschwerderecht nicht unbedingt eine Option. In dieser Situation können externe Berater eventuell eine Hilfsinstanz sein. Auch ein Anwalt kann extern beraten übernehmen. Bestimmte Mobbinghandlungen sind gesetzlich nämlich strafbar und können vor Gericht gebracht werden. Beratung steht außerdem in gemeinnützigen Vereinen zur Verfügung, die Mobbinghilfe anbieten. Arbeitnehmer können Beschwerden auch in der Personalvertretung oder der Sozialberatungsstelle der Firma vorbringen.

Mobbingbetroffene Schüler wenden sich idealerweise an Vertrauenslehrer, Schulpsychologen oder die Schulleitung. Zu einer umfangreichen Hilfe sind die Nahestehenden oftmals nicht in der Lage. Zwar kann es an dieser Stelle helfen, mit vertrauten Personen über die Problematik zu sprechen. Trotzdem sollte zusätzlich immer eine professionelle Hilfsinstanz beigezogen werden, die die Situation dauerhaft verbessern kann. Mediatoren sind eine Lösung. Auch die Kontaktaufnahme mit einem Psychotherapeuten oder Psychologen kann ein Schritt sein. Der Fachmann hilft bei der Verarbeitung der zurückgelegenen Ereignisse und wendet die drohenden Langzeitfolgen damit idealerweise ab. Netzwerke für Mobbingbetroffene stehen im Internet zur Verfügung. Zwar sind diese Netzwerke nicht dazu in der Lage, die Betroffenen aktiv aus ihrer Situation zu befreien. Allerdings können sich Mobbingopfer hier mit anderen Betroffenen austauschen, zu Stärke finden und von den Erfahrungen anderer profitieren.

Allen Mobbingopfern stehen außerdem Hilfsorganisationen offen. Speziell für Menschen in Cybermobbingsituationen existiert seit 2011 zum Beispiel das Bündnis gegen Cybermobbing, das aus engagierten Menschen sowie Cybermobbingbetroffenen besteht. Außerdem stehen Mobbingberater in entsprechenden Beratungsstellen zur Verfügung. Bei diesen Menschen handelt es sich meist um Sozialpädagogen, die sich auf den Mobbingbereich spezialisiert haben.